Dienstag, 21. Februar 2012

„Es gibt Tage, da haben wir nichts zu essen.“

von Lauren Fisher, WVUS communications

Was würden Sie antworten, wenn Ihnen ein 13-jähriges Mädchen erzählt, dass es an manchen Tagen nichts zu essen hat? Lauren Fisher von World Vision berichtet von der Dürre und Nahrungsmittelknappheit in Niger und ganz Westafrika. In ihrem dritten Blog schildert sie, was sie bei den Menschen und Gemeinschaften, die sich in dieser Notlage befinden, erlebt hat. Folgen Sie Lauren hier auf ihrem Blog oder lesen Sie @WorldVisionNews (#wvlauren) aktuelle Live-Berichte aus dem Krisengebiet.
“Eines Tages möchte ich für eine NGO (Nichtregierungsorganisation) arbeiten.“

Die Antwort der schüchternen 13-jährigen Koubra Mamane überrascht mich. Sie spricht zögernd, bleibt während des ganzen Interviews skeptisch – wie ein ganz normaler Teenager. Sie erzählt uns, dass sie Mathematik mag und ihrer Mutter im Haushalt helfen muss. Dabei zeigt sie uns ihre Schulbücher, die sie sorgfältig in einer hellgelb-roten Tasche verstaut hat.

„Ich rechne gerne in der Schule, aber auch die anderen Fächer gefallen mir, denn ich will klug werden und mir ein grosses Wissen aneignen“, sagt sie weiter.

Doch ihre Zukunftsträume sind nicht die einzigen Worte, die mich nachdenklich stimmen. Ihre nächste Antwort geht mir nicht mehr aus dem Kopf, seit ich sie aus ihrem Mund vernommen habe. Wir haben Koubra gefragt, wie knapp es mit den Lebensmitteln in ihrem Dorf sei. Daraufhin sagt sie, dass ihre Familie keine Lebensmittel kaufen kann, wenn kein Geld da ist.

In diesen Tagen essen sie und ihre Familie nichts. „Manchmal bekommen wir etwas zu essen und manchmal haben wir nichts“, erzählt uns Koubra in einem Ton, der deutlich zeigt, dass dies oft der Fall ist. „Wenn du Hunger hast, merkst du, dass dein Körper schwach ist. Wenn du gegessen hast, ist das ein ganz anderes Gefühl.“

Koubras Familie ist mit ihren Sorgen nicht allein. In ganz Westafrika gibt es Anzeichen, dass es sich hier nicht um eine normale Nahrungsmittelverknappung handelt. Die Regierung in Niger schätzt, dass rund neun Millionen Menschen von der Krise betroffen sind.

Das Problem setzt sich aus der inhärenten Armut und hohen Unterernährungsrate in Niger zusammen. Bei vielen Gemeinschaften, die wir besuchten, sind die Zeichen der Krise bereits sichtbar. Entweder verlassen die Männer die Dörfer, um in anderen Städten Arbeit zu finden, oder die Eltern bestimmen, an welchen Tagen ihre Kinder hungrig ins Bett müssen.

„Einige haben wenig, andere haben gar nichts”, sagt der Dorfvorsteher Hachimou Inoussa. „Deshalb bitten wir um Hilfe.“

Ich habe die Zahlen und Fakten auf dem Papier gesehen, die eine schlechte Ernte voraussagten. Ich dachte, ich wüsste, was das bedeutete. Mitnichten. Heute habe ich es zum ersten Mal richtig begriffen. Es brauchte ein 13-jähriges Mädchen – so alt wie meine jüngeren Cousins oder sogar meine kleine Schwester vor ein paar Jahren - das mir in aller Ruhe erzählte, dass es manchmal nichts zu essen habe.

Wir bleiben noch etwas bei Koubra im Dorf, bevor wir nach Hause gehen. Der Abschied fällt uns schwer, auch wenn ich weiss, dass World Vision verstärkt Hilfe bringen wird. Zuvor hatten wir im gleichen Dorf ein Gespräch mit dem Leiter der Getreidebank geführt. Eine dieser Banken war speziell für Frauen und Kinder eingerichtet worden.

Als wir aufbrechen, sehe ich, wie Koubra in ihren Alltag zurückkehrt. Sie spielt mit ihrer kleinen Schwester; Kamera und Interview geraten bald in Vergessenheit. Ich hoffe, die Lebensmittel finden einen Weg zu ihr. Und ich hoffe, es geht sehr lange, bis sie wieder sagen muss: „Es gibt Tage, da haben wir nichts zu essen.“

Traurig: Die 13-jährige Koubra hat seit fast einem Tag nichts mehr gegessen. World Vision greift angesichts der wachsenden Hungersnot in Niger und in der gesamten Region ein und füllt die lokalen Getreidebanken auf.

Eine Mutter mit ihren Zwillingen vor einer Klinik von World Vision in Niger. Beide Kinder sind unterernährt. Die Mutter erzählte World Vision, dass sie wegen der schlechten Ernte manchmal tagelang nichts zu essen hätten.

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