Donnerstag, 31. Oktober 2013

Sierra Leone - Tag 7: Schwerpunkt Hygiene



Heute berichtet von der Reise der Kinderarzt Univ.-Doz. Dr. Peter Fritsch.


Ich hab schon lange nicht mehr so fruchtbar gearbeitet wie in den letzten vier Tagen im Feld. Sowohl für mich als auch für die Nurses vor Ort war es permanentes Lernen und Lehren...ich war überrascht, wie gut die einzelnen PHUs (Anm.: Gesundheitsstationen) ausgestattet sind und wie gut die Nurses in Bezug auf die lokalen Krankheiten geschult sind. Allerdings gibt es auch Situationen, die mit einfachen Mitteln sehr leicht verbessert werden können - zum Beispiel die Neugeborenenversorgung! Aber auch bei einfachen hygienischen Maßnahmen gibt es noch viel Aufholbedarf! Das wird auch unser Schwerpunkt bei den heutigen Schulungen sein. 
Und natürlich arbeiten wir auch bereits an der Verbesserung unserer eigenen Leistung hier vor Ort, die wir nach den Erfahrungen der ersten Tage bei unserem nächsten Besuch sicher verbessern können!
Langsam aber stetig... nach AFT- African flexible time - alles braucht seine Zeit!

Dr. Peter Fritsch

Sierra Leone - Tag 6: Klinik unter Palmen (Teil 2)



Am nächsten Tag erwartet uns das gleiche Bild. Heute ist auch noch Markttag in Manjana. Die Krankenstation ist komplett überfüllt. Die Menschen ziehen ihre schönsten Gewänder an. Weil das Wetter sehr schön ist – wir sind am Ende der Regenzeit, und es regnet eigentlich noch jeden Tag kurz –, verlegt Peter, der Kinderarzt, seinen Untersuchungsraum ins Freie, Klinik unter Palmen pur!

Mitten in der "Klinik unter Palmen"!
Am Ende des Tages haben die Ärzte und Schwestern über 170 Kinder und 90 Frauen untersucht, insgesamt in den vier Tagen waren es mehr als 600 Kinder und 350 Frauen. Wenn´s auch nach viel klingt, ist es nur ein kleiner Tropfen auf den heißen Stein.
Am Nachmittag geht es zurück nach Koidu. Für morgen haben sich Gudrun und Peter noch bereit erklärt, im Spital mitzuhelfen und zu operieren. Nachdem es im gesamten Bezirk Kono zwei Ärzte gibt, ist das eine deutliche Verstärkung. Zusätzlich gibt es noch Trainings für das Gesundheitspersonal – auch hier geht es um eine nachhaltige Verbesserung der Situation. Zugegeben: Wir freuen uns nach den Straßen auf etwas Entspannung und eine kurze Dusche...

Anton Kühnelt-Leddihn

Mittwoch, 30. Oktober 2013

Sierra Leone - Tag 5: Klinik unter Palmen



Zwei Tage lang waren wir nun im neuen Regionalentwicklungsprogramm von World Vision Österreich, in Soa. Es liegt am östlichsten Ende von Sierra Leone, einen Steinwurf von der Grenze nach Guinea entfernt. Die Landschaft ist unglaublich schön, sanfte grüne Berge und weite Täler wechseln einander ab, eine wunderbare dichte Natur. Die Abgeschiedenheit und die Armut haben aber auch zur Folge, dass die Infrastruktur und vor allem die Straßen in einem äußerst schlechten Zustand sind. Bisher waren Geländewägen notwendig, um weiterzukommen, doch hier kommen sie an ihre Grenzen.
Wir erreichen als erstes den Hauptort Kainkoidu, eine Stadt mit 3.500 Einwohnern. Als erstes lernen wir wieder den sogenannten Paramount Chief kennen, eine Art Häuptling, der in seinem Chiefdom auch gesetzgebende Gewalt besitzt. Er freut sich ausgesprochen, dass wir kommen und stellt uns unter seinen persönlichen Schutz. Von jetzt an gelten wir als persönliche Gäste. Wie wir erfahren, ist das ein besonderes Zeichen der Wertschätzung.

Dann geht es an die Arbeit! Dass Ärzte da sind, hat sich wie ein Lauffeuer herumgesprochen. Wieder sind knapp 100 Frauen und mehr als 150 Kinder aus den umliegenden Dörfern gekommen. Die Erwartungen sind so groß wie die Probleme. Es ist halt nur möglich, ein bisschen zu helfen, oft fehlt das Verständnis, oft braucht es langfristige Behandlungen oder aufwendige Operationen. So kommt ein Kind, ein paar Monate alt – die Mutter ist während der Geburt gestorben -, das Kind war unterversorgt mit Sauerstoff. Die Großmutter hofft auf Hilfe, und leider gibt es da keine guten Nachrichten. Diese und auch andere Geschichten treffen uns oft hart, aber wenigstens anderen können wir gegen Malaria oder auch andere Erkrankungen helfen.

Gemischte Gefühle - oft müssen wir die Erwartungen enttäuschen, aber oft sind die Freude und das Gefühl so groß, dass geholfen wird.

Anton Kühnelt-Leddihn

Dienstag, 29. Oktober 2013

Sierra Leone - Tag 4: Bei Müttern und ihren Kindern in Fiama



Nach dem Frühstück machten wir Wochenbettvisite. Klein-Gudrun und ihrer Mutter ging es sehr gut. Das war für Peter und mich sehr erfreulich und beruhigend. Dann ging es weiter auf einer Bumpy Road (die Straßen sind auch auf Grund des Regens wirklich in schlechtem Zustand) zur Station in Fiama. Eine bunte Menge von Müttern und Kindern erwartete uns bereits. Nach einem kurzen Gebet und der üblichen Vorstellungsrunde bezogen meine Krankenschwester Hanna und ich unsere "Ordination" (den Untersuchungsraum), als Ordinationshelferin fungierte unser "Mädchen für alles" Lilli von World Vision aus Österreich. Barbara, unsere Kinderkrankenschwester unterstützte wieder äußerst tatkräftig Peter.

Peter, Barbara und ihre lokale Krankenschwester untersuchten ca. 160 Kinder, Hanna und ich konnten 67 Frauen sehen. Die Diagnosen waren sehr unterschiedlich, zum Teil gynäkologisch, orthopädisch und internistisch. Viele Frauen leiden an Malaria, bakteriellen Scheidenentzündungen, Myomen und Hernien. Zwei akute Blinddarmentzündungen mussten wir ins Hospital einweisen. Geburtshilflich könnten wir einigen Schwangerschaften untersuchen, zum Teil mit Frühgeburtsbestrebungen aufgrund von Gestosen mit Bluthochdruck, gegen den Gott sei Dank Medikamente verfügbar waren. Weiters leiden viele Frauen an epigastrischen Beschwerden, vertebraleren Beschwerden mit massiven Muskelverspannungen.


Aufgrund der vielen Menschen tun mir die Zeitknappheit und auch die begrenzten Hilfsmöglichkeiten etwas leid. Dennoch habe ich das Gefühl, dass wir doch etlichen Frauen helfen konnten. Meine Meinung zu verbesserten Lebensbedingungen für Frauen kann nur durch eine Verbesserung der Bildung erreicht werden, da nur Frauen, die einen gebildeten Eindruck auf mich machten, sich für Familienplanung nach drei Kindern interessierten. Viele Frauen hatten an die zehn Geburten. Jedoch nur die Hälfte der Kinder ist am Leben, umso mehr freut es mich, dass Klein-Gudrun, deren Mutter als Erstgebärende eine schwere Geburt hatte, wo wir wirklich nur mit der Saugglocke und nachfolgender Reanimation zu einem lebenden Kind verhelfen könnten, heute so fröhlich und kräftig wirkt.
Jetzt heißt die Kleine Gudrun. Sehr lustig, und ich und wahrscheinlich auch das Baby werden Gunggung genannt.  Ich hoffe, sie hat ein gesundes Leben vor sich, ich wünsche es ihr wirklich – von ganzem Herzen.

Montag, 28. Oktober 2013

Sierra Leone: Reise durch die Dörfer



Heute blogt Michele Pauty für uns! Michele Pauty ist eine österreichische Fotografin und Journalistin, die mit dem Reiseteam unterwegs ist.


Gestern war der erste Tag unserer Reise durch die Dörfer. Wir wohnen in einem Hotel in Koidu, von dem aus wir täglich in ein anderes Dorf fahren, in dem die beiden Ärzte vom Sankt Leonhard Spital zusammen mit der Hilfe von den Krankenschwestern vor Ort die Kinder und Frauen behandeln, die sich dort einfinden. Manchmal ist es ein Office des Regionalentwicklungsgebiets, manchmal eine Krankenhausstation, wo zwei Krankenschwestern vor Ort behandeln, was in ihren Kräften steht. Doch oft können sie nichts tun, als die Patienten zu dem meist neun Kilometer weit entfernten Krankenhaus weiterzuschicken, manchmal weiter, ohne eine öffentliche Verbindung. Fast alle, die heute zu den Ärzten gekommen sind, haben den Weg zu Fuß auf sich genommen.
Ein Bub vor dem Spital in Fiama
An unserem ersten Tag in dem neu erbauten Office des Regionalentwicklungsgebietes in Ngwambene behandeln Peter und Gudrun in den noch leeren Office-Räumen notdürftig mit kaum vorhandenen Medikamenten die Ströme von Frauen mit ihren Kindern. Auch manche Männer finden sich ein mit Sehschwächen oder orthopädischen Problemen, die sich enttäuscht wieder auf den Heimweg machen. Die Nachricht, dass die weißen Ärzte kommen, hat viele Menschen angelockt, leider kann nicht jedem geholfen werden. Viele müssen überhaupt gleich ins Krankenhaus weitergeschickt werden. Hier vor Ort gibt es keine Möglichkeit zu operieren.
Eine ältere Frau mit Eierstockkrebs kommt zu Gudrun. Ihr Bauch ist geschwollen wie im siebten Schwangerschaftsmonat und voller Wasser, welches langsam mit einer Spritze abgesaugt werden muss. Der ganze Prozess dauert fast eine Stunde lang und wird der Frau vorübergehend Erleichterung verschaffen. Helfen kann man ihr nicht mehr. Ähnlich traurig fühlt sich die Diagnose für einen kleinen Jungen an, der nebenan von Peter behandelt wird. Die Mutter hält seinen Arm hoch und fragt, ob man ihn richten kann, worauf Peter erwidert: In Zukunft muss sie gleich in ein Krankenhaus gehen, nun kann man nichts mehr machen. Erst als der Bub beginnt, den Arm zu bewegen, sehe ich, dass der Arm gebrochen war und schlecht wieder zusammengewachsen ist. Der Unfall ist schon ein halbes Jahr her. Der Junge weint aus Angst vor dem großen weißen Mann, und ich denke an die Zukunft von diesem Kind in einem Land, wo deine körperliche Unversehrtheit dir deinen Lebensunterhalt garantiert.
Unsere Fotografin Michéle Pauty
Wieder im Innenhof sehe ich einen schon größeren Jungen in einer Tür sitzen. Er lächelt mir zaghaft zu und grüßt mich. Nachdem ich ihn fotografiert habe, setze ich mich zu ihm und unterhalte mich mit ihm. Sein Englisch ist ausgezeichnet, und ich erfahre, dass er zehn Jahre alt ist und Tamba Yaan heißt. Als ich ihm eine Postkarte von Wien im Schnee schenke, um ihm zu erklären wie kalt es in meiner Heimat ist, lacht er, aber ich glaube, er hat mich nicht verstanden. Ihn beeindruckt mehr, dass mein Name auf der Rückseite der Karte steht. Er bleibt noch den ganzen Tag, und ich treffe ihn immer wieder in dem Getümmel von Kindern, das sich um das Office des Regionalentwicklungsgebietes schart. All diesen Kindern, die deine Haut berühren wollen und sich die Fotos anschauen und nicht aufhören zu lachen, die noch nichts wissen von diesen vielen Problemen, die noch auf sie zukommen werden…: Ich wünsche jedem von ihnen einfach nur viel Glück auf seinem Weg.