Donnerstag, 19. August 2010

Tag 1 in Hiep Duc

MITTWOCH, 18. AUGUST 2010
Wir sind es schon gewohnt: Jeden Morgen früh raus. Diesmal zum Flug nach Da Nang, einer Stadt in Mittelvietnam mit knapp unter einer Million Einwohnern. Wobei: Wir sind mit Zahlen mittlerweile eher vorsichtig. Für Hanoi haben wir nun 3 verschiedene Bevölkerungszahlen gehört. Vermutlich stimmen die Werte bei Wikipedia mit 6,5 Millionen am besten.

Ein Geländewagen von WV, Spende eines japanischen Konzerns, holt uns am Flughafen ab. Mit viel Gehupe geht's Richtung Südwesten. Das Hupen ist hier übrigens gute Fahrerpflicht und bedeutet nur, Achtung ich komme. Wer nicht hupt, verursacht Unfälle. Und deren gibt es jede Menge - leider. Während das Fahrrad noch bis vor wenigen Jahren den Verkehr dominierte, sind es nun die Mopeds und Motorroller. Die fast theaterähnliche Choreographie, mit der sich der Verkehr hier abspielt, täuscht leider: Vietnam hat mit vermuteten 100.000 Verkehrstoten in den letzten 5 Jahren eine der höchsten Raten an Verkehrstoten weltweit. Auf dem einzigen Autobahnstück vor Hanoi sind uns in der Nacht bei 120km/h auf der 3. Spur laufend Mopeds und Fahrräder entgegengekommen, ein Glück wenn sie beleuchtet waren. Manchmal war es schon echt knapp. Allein der Verkehr hier würde einen eigenen Blog verdienen, aber dafür sind wir ja nicht hier.



Nach etwa 2 Stunden sind wir in den Hügeln von Hiep Duc angekommen. Das ist eines der ältesten Projekte, die WV Austria hier mitfinanziert und betreut. Im APD-Office gehen wir noch kurz die Agenda für den heutigen Tag durch, im Mittelpunkt stehen die Besuche der Kinder von einigen Paten. Für mich, Bernd, natürlich ganz besonders die Möglichkeit, mein eigenes Patenkind erstmals nach 5 Jahren zu sehen! Bin schon echt gespannt!

Am Anfang des Besuches muß ein Besuch beim Project Management Board stehen, ein Komitee aus Regierungsmitarbeitern auf Bezirksebene, das die gute Zusammenarbeit mit der Regierung sicherstellt. Diese Zusammenarbeit ist tatsächlich sehr gut, es erstaunt uns immer wieder, wieviel die Regierung für die Entwicklung der Menschen tut. Wir treffen den Vice Chairman des "People's committee of Hiep Duc District", entspricht etwa unserem Bezirksvorsteher-Stellvertreter. Er weiß erstaunlich viel über das Projekt, unsere Kollegen erzählen, dass er auch oft in den Dörfern draußen ist.



Aufbruch. Wir müssen noch etwa 15 km fahren, sollte also kein Problem sein. Zumindest dachten wir so. Die lieben Kollegen wussten, warum wir einen Geländewagen brauchen. Unmittelbar neben der Hauptstraße in unser Gebiet hier beginnt das verkehrstechnische Nichts. Straßen, oder besser über manche Stücke befestigte Bachbette mit bis zu 25% Steigung, bringen auch unser Auto an die Grenze der Belastung. Nie mehr Kommentare über Baustellen auf Autobahnen bei uns! Nur: Uns hat es zwar unendlich gebeutelt (die ideale Teststrecke, um die persönliche Empfindlichkeit auf Reisekrankheit auszutesten), für uns ist es etwas, das uns zum Staunen bringt, für die Menschen hier tägliche Mühsal. Überhaupt können wir die Kinder nur besuchen, weil es heute grad nicht regnet, ansonsten sind diese Gebiete ohnehin von der Außenwelt abgeschnitten. Dabei sind es jene Gegenden hier im Gebiet, die noch am leichtesten zu erreichen sind! Morgen soll es in eine "more remote area" gehen. Können wir uns beim besten Willen nicht vorstellen, wie das dann sein soll....



Das Land vermittelt den typisch tropischen Eindruck: Eine mächtige Vegetation, gegen die sich der Mensch anstemmt, die sich binnen kürzester Zeit wieder aneignet und überwuchert, was nicht permanent bearbeitet wird. Innerhalb der Wälder kleine Ackerflächen mit geringem Ertrag, überall magere Kühe und Wasserbüffel. So extrem der Regen in der Monsunzeit ist, so wenig regnet es in den restlichen Monaten, manchmal bis zu 6 Monate nicht, was Ackerbau extrem schwierig macht.



Zusätzlich gibt es im Schnitt alle 2 Jahre hier einen Taifun, der die Ernte zerstört, oft auch die Häuser. WV hat deshalb als eine der ersten Aktionen einen sogenannten "Disaster Prevention Plan" mit lokalen Experten erarbeitet. Darin sind die Gefahrengebiete für Landrutsche, Überflutungen etc. erfasst und entsprechende Maßnahmen zusammengefasst. In jedem noch so armseligen Haus hängt die lokale Ableitung für diesen Plan, damit sich die Menschen im Ernstfall von Anfang an richtig verhalten, denn die Gebiete sind dann ja kaum bis nicht erreichbar.


 

Zurück zum Agrikulturbereich, dort hat World Vision Bahnbrechendes geleistet. Davon konnten wir uns bei den Bauern selbst überzeugen, denn wir wurden eingeladen, an einer VDB-Sitzung (Village Development Board) teilzunehmen. Das ist ein Komitee aus Gemeindemitgliedern auf Dorfebene, in dem die betroffenen Menschen selbst ihre Entwicklungsaktivitäten planen und durchführen.




Was uns die Bauern erzählten: Bevor WV mit der Arbeit begann, gab es eine Ernte pro Jahr, bedingt durch die Abhängigkeit vom Regen der Jahreszeiten. Dünger wurde mangels Fachkenntnis oft ganz kurz vor der Ernte ausgebracht, usw. Durch intensive Schulungen wurde den Bauern vermittelt, wie sie in kleinen Gruppen zusammengefasst zu einer sinnvollen Fruchtfolgewirtschaft kommen können, es wurde aus Geldern von WV ein Damm gebaut, für die Felder ein Bewässerungsregime entwickelt, wodurch nun 2 Ernten pro Jahr möglich sind. WV funktioniert dabei als Katalysator, um den Start zu übernehmen und Anleitung zu geben, den Rest machen die Bauern selbst. Heute laufen die bäuerlichen Teams selbstverwaltet, sehr gut organisiert und es gibt eine Vielzahl von Bauern, die sich dem System anschließen wollen. Ergebnis: Im Projektgebiet hat sich die Erntemengepro Jahr von 38-40 q/ha auf 55-60 q/ha binnen der letzten Jahre erhöht, also um etwa 50%! Eine Familie mit 4 Kindern kann sich nun das ganze Jahr über selbst ernähren. Die ebenfalls durchgeführten Programme zur Verbesserung der Versorgung mit Eiweiß und Vitaminen (also Fleisch und Früchte) hier zu beschreiben führt zu weit, soll ja ein Blog bleiben. Info gibt's in den Projektberichten von WV Österreich.


 

Danach der Besuch bei den Kindern. Wir treffen sie im Gemeindehaus des Dorfes. Aus meinem damals 8-jährigen Patenkind Tran Thi Lanh ist nun ein 13 Jahre altes Mädchen geworden, das bereits in die Secondary School geht, die von WV mit gesponsert wurde. Sie hat 5 Geschwister. Berufswunsch: Ich möchte Arztin werden und wenn ich ihr so in die Augen sehe, dann glaube ich ihr es schaffen zu können. Es ist schwer, die kurzen Momente mit Lanh und ihrem Vater, der sie begleitet hat, zu beschreiben und ich will es hier auch gar nicht versuchen.



Jedenfalls haben wir 5 aufgeweckte Kinder kennen gelernt, die alle eine Perspektive für ihr Leben haben, auch wenn noch viel zu tun ist. Aber mit den vereinten Kräften der 1700 (!) Paten aus Österreich die Kinder in dieser Region haben und einer wirklich wieder vorbildlichen Arbeit der vietnamesischen Kollegen vor Ort wird in den nächsten Jahren hier sicher noch viel Nachhaltiges passieren.

So, nachdem nun wieder Strom im Office ist, werde ich versuchen, den Blog hochzuladen!

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