Montag, 28. Oktober 2013

Sierra Leone: Reise durch die Dörfer



Heute blogt Michele Pauty für uns! Michele Pauty ist eine österreichische Fotografin und Journalistin, die mit dem Reiseteam unterwegs ist.


Gestern war der erste Tag unserer Reise durch die Dörfer. Wir wohnen in einem Hotel in Koidu, von dem aus wir täglich in ein anderes Dorf fahren, in dem die beiden Ärzte vom Sankt Leonhard Spital zusammen mit der Hilfe von den Krankenschwestern vor Ort die Kinder und Frauen behandeln, die sich dort einfinden. Manchmal ist es ein Office des Regionalentwicklungsgebiets, manchmal eine Krankenhausstation, wo zwei Krankenschwestern vor Ort behandeln, was in ihren Kräften steht. Doch oft können sie nichts tun, als die Patienten zu dem meist neun Kilometer weit entfernten Krankenhaus weiterzuschicken, manchmal weiter, ohne eine öffentliche Verbindung. Fast alle, die heute zu den Ärzten gekommen sind, haben den Weg zu Fuß auf sich genommen.
Ein Bub vor dem Spital in Fiama
An unserem ersten Tag in dem neu erbauten Office des Regionalentwicklungsgebietes in Ngwambene behandeln Peter und Gudrun in den noch leeren Office-Räumen notdürftig mit kaum vorhandenen Medikamenten die Ströme von Frauen mit ihren Kindern. Auch manche Männer finden sich ein mit Sehschwächen oder orthopädischen Problemen, die sich enttäuscht wieder auf den Heimweg machen. Die Nachricht, dass die weißen Ärzte kommen, hat viele Menschen angelockt, leider kann nicht jedem geholfen werden. Viele müssen überhaupt gleich ins Krankenhaus weitergeschickt werden. Hier vor Ort gibt es keine Möglichkeit zu operieren.
Eine ältere Frau mit Eierstockkrebs kommt zu Gudrun. Ihr Bauch ist geschwollen wie im siebten Schwangerschaftsmonat und voller Wasser, welches langsam mit einer Spritze abgesaugt werden muss. Der ganze Prozess dauert fast eine Stunde lang und wird der Frau vorübergehend Erleichterung verschaffen. Helfen kann man ihr nicht mehr. Ähnlich traurig fühlt sich die Diagnose für einen kleinen Jungen an, der nebenan von Peter behandelt wird. Die Mutter hält seinen Arm hoch und fragt, ob man ihn richten kann, worauf Peter erwidert: In Zukunft muss sie gleich in ein Krankenhaus gehen, nun kann man nichts mehr machen. Erst als der Bub beginnt, den Arm zu bewegen, sehe ich, dass der Arm gebrochen war und schlecht wieder zusammengewachsen ist. Der Unfall ist schon ein halbes Jahr her. Der Junge weint aus Angst vor dem großen weißen Mann, und ich denke an die Zukunft von diesem Kind in einem Land, wo deine körperliche Unversehrtheit dir deinen Lebensunterhalt garantiert.
Unsere Fotografin Michéle Pauty
Wieder im Innenhof sehe ich einen schon größeren Jungen in einer Tür sitzen. Er lächelt mir zaghaft zu und grüßt mich. Nachdem ich ihn fotografiert habe, setze ich mich zu ihm und unterhalte mich mit ihm. Sein Englisch ist ausgezeichnet, und ich erfahre, dass er zehn Jahre alt ist und Tamba Yaan heißt. Als ich ihm eine Postkarte von Wien im Schnee schenke, um ihm zu erklären wie kalt es in meiner Heimat ist, lacht er, aber ich glaube, er hat mich nicht verstanden. Ihn beeindruckt mehr, dass mein Name auf der Rückseite der Karte steht. Er bleibt noch den ganzen Tag, und ich treffe ihn immer wieder in dem Getümmel von Kindern, das sich um das Office des Regionalentwicklungsgebietes schart. All diesen Kindern, die deine Haut berühren wollen und sich die Fotos anschauen und nicht aufhören zu lachen, die noch nichts wissen von diesen vielen Problemen, die noch auf sie zukommen werden…: Ich wünsche jedem von ihnen einfach nur viel Glück auf seinem Weg. 

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