Mittwoch, 14. November 2012

Reise nach Myanmar - 5. Tag: „Er hat uns einfach an die Armee vermittelt und Geld dafür bekommen…“

Der letzte Tag in Myanmar bietet uns eine einmalige, eine besondere Begegnung. Die Regierung hat erst kürzlich ihre Zustimmung gegeben, die unzähligen Kindersoldaten aus der Armee zu entlassen. Mit Ende November soll eine Liste aller minderjährigen Soldaten vorliegen. Aber schon vorab wurden 42 Soldaten entlassen. Sie werden nun von World Vision im Resozialisierungsprozess begleitet. Dazu gehört psychologische Betreuung, wie auch eine Berufsausbildung, damit die Jugendlichen eine Zukunft ohne Waffen haben.
Zwei von Ihnen haben sich bereit erklärt, uns zu treffen und ihre Erfahrungen mit uns zu teilen. Aus Sicherheitsgründen können wir hier keine Namen verwenden.
Der erste erzählt uns, dass er mit knapp 16 Jahren einen Job gesucht hat. Ein „Vermittler“ ist auf ihn gestoßen und hat ihm einen guten Job angeboten. Der Teenager hat nicht erahnen können, was das für ihn bedeutet. Er wird zu einer Rekrutierungseinheit gebracht, der Vermittler erhält Geld. Ein Ausbildner aus seiner Einheit erkennt das Alter des Buben und bewirkt seine Entlassung – nach 20 Tagen, Glück gehabt.
Der zweite Jugendliche erzählt von einem ähnlichen Schicksal. Wieder erzählt ihm ein „Vermittler“, er habe einen Job, wo bis zu 17.000 Kyat im Monat winken (das entspricht in etwa 16 Euro, in Myanmar durchaus gutes Geld). Bei der ersten Rekrutierungseinheit wird der Bursche abgelehnt – zu jung. Der Vermittler lässt nicht locker, geht zu einer anderen Rekrutierungseinheit, zwingt den Buben dazu, zu sagen, dass er 18 ist – mit Erfolg. Er wird aufgenommen. Es folgen zwanzig Tage in der Rekrutierungseinheit, danach 40 Tage in einer Ausbildungseinheit. Uns erzählt der Jugendliche, dass diese Zeit sehr hart war. Details will er nicht sagen. Er erzählt uns nur, dass er bei weitem nicht der Jüngste war. Ein Soldat, der jünger war, hat versucht wegzulaufen. Er wurde erwischt. Auf unsere Frage, was dann mit ihm passiert ist, meint er nur: Schläge, viele Schläge. Jeden Tag um 4 Uhr auf, körperliches Training, Drill, strenge Ausbildner. Er hat aber Glück! Seine Familie meldet ihn als vermisst. Mit Hilfe der International Labour Organisation ILO kann er gefunden werden. Als sein tatsächliches Alter bekannt wird, sorgt ein Vorgesetzter für seine Entlassung. Sein Blick hat etwas starkes, aber auch etwas Verletztes, manchmal eine Leere. Obwohl er schon öfter Interviews gegeben hat, merkt man, dass es nicht etwas ist, an das er sich erinnern will.
World Vision bereitet sich gerade auf die Entlassung einer großen Zahl an minderjährigen Soldaten vor. Vor allem soll den Jugendlichen eine Ausbildung und eine Perspektive geboten werden. Noch viel wichtiger wird bei einigen aber die psychologische Betreuung sein.
Besonders schwierig scheint die Situation mit den „Vermittlern“, die gegen Geld bisher Jugendliche an die Armee vermittelt haben. Wir sind wirklich dankbar für diesen besonderen Einblick. Am Abend geht es wieder ins Flugzeug, über Bangkok nach Wien. Die Zeit in Myanmar war leider viel zu kurz. Das Land ist unglaublich schön, die Leute sehr herzlich und im Moment liegt eine unglaubliche positive Spannung in der Luft, so viel hat sich in letzter Zeit gewandelt. Es wird sicher nicht unser letzter Besuch in Myanmar gewesen sein…

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen